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„Mit Worten und Taten zur Landwirtschaft bekennen“

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 03/2025

Die Agrar- und Ernährungswirtschaft spielt in Weser-Ems eine wichtige wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Rolle. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landwirtschaft, Rainer Herbers, sagt, dass die Region sich das immer wieder bewusst machen sollte. Ansonsten geht eine wichtige Säule unseres Wohlstands verloren.

Der Landwirtschaft sind die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems eng verbunden. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Arbeit des Arbeitskreises Landwirtschaft unseres Genossenschaftsverbandes Weser-Ems wider. Der Arbeitskreis-Vorsitzende und Vorstand der VR-Bank in Südoldenburg eG erläutert, warum die Branche derzeit verunsichert ist, was das für die Genossenschaftsbanken bedeutet, warum für ihn die „Grüne Woche“ vielleicht der wichtigste Termin im Jahr ist und warum er die Zukunft der Agrarbranche sehr positiv beurteilt.

Herr Herbers, Sie waren mit dem Arbeitskreis Landwirtschaft wie in den Vorjahren im Januar auf der Grünen Woche in Berlin. Dort sind Sie sicher nicht wegen der kulinarischen Genusswelten hingefahren. Warum ist die Agrarmesse für Sie als Bankvorstand offensichtlich ein Pflichttermin?
In Berlin auf der Grünen Woche sehe ich auf 100 Quadratmetern rund 80 Vertreterinnen und Vertreter aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die für mich wichtig sind. Das ist Netzwerken und Informationsaustausch pur. Für mich ist die Grüne Woche in Berlin eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Ereignis im Bereich der Firmenkundenbetreuung. Deshalb nutzen wir vom Arbeitskreis Landwirtschaft die Grüne Woche und den Nordwestdeutschen Milchtreff der Landesvereinigung Milchwirtschaft Niedersachsen, um dort zu tagen, aber vor allem auch, um dort Gespräche zu führen und uns über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Was war für Sie auf der Grünen Woche in diesem Jahr das entscheidende Thema?
Es gab natürlich viele interessante und wichtige Aspekte. Aber klar im Fokus stand für mich: Künstliche Intelligenz. Dieses Thema hat eine unglaubliche Fahrt aufgenommen. Die KI eröffnet neue, kaum vorstellbare Möglichkeiten in der Land- und Ernährungswirtschaft. Das hat viele Gespräche bestimmt. Damit verbunden sind Veränderungen, die auch wir als genossenschaftliche Finanzgruppe verstehen und begleiten müssen, um weiterhin als Finanzpartner dieses Feld erfolgreich bestellen zu können.

Digitalisierung, KI und Innovation auf der einen Seite. Das Image der Landwirtschaft hat sich laut einiger Studien tatsächlich auch verbessert. Dennoch bestimmen immer wieder vor allem negative Schlagzeilen wie „Klimakiller Landwirtschaft“ oder Beiträge von wütenden Bauernproteste das Bild. Wie erklären sich diese unterschiedlichen Wahrnehmungen?
Die Ernährungswirtschaft und vor allem die Landwirtschaft ist in der Öffentlichkeit im Bereich Innovation vielleicht eine der meistunterschätzten Branchen. Die Betriebe sind häufig moderne, hochtechnisierte und digitalisierte Unternehmen. Im Oldenburger Münsterland haben wir beispielsweise Betriebe mit mehreren tausend Tieren, vor allem im Bereich Geflügel. Auch das Emsland ist von einer starken Nutztierhaltung geprägt und in Ostfriesland sind Milchviehbetriebe mit 200 Kühen heute keine Seltenheit mehr. Das erfordert modernste Technik, effiziente Strukturen und viel Kapital. Die Betriebsinhaberinnen und -inhaber sind in der Regel umfassend und erstklassig ausgebildet. Das bestimmt tatsächlich nur selten die Schlagzeilen.

Deshalb sollten wir als Genossenschaftsbanken in Weser-Ems die Leistungs- und Innovationskraft der Branche immer wieder herausstellen. Dies verstehen wir auch als wichtige Aufgabe des AK Landwirtschaft, den ich auch als Mittler zwischen unseren Gremien und unseren Kunden und der Öffentlichkeit verstehe. Aber auch auf anderen Ebenen gibt es gute Beispiele. Im Oldenburger Münsterland hat sich der Verein Land.Schafft.Werte. gegründet, der eine sachliche und dennoch frische Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Aber auch die Landwirtinnen und Landwirte selbst müssen sich der gesellschaftlichen Diskussion offen stellen, ihre Arbeit und ihre Ängste immer wieder sachlich erklären. Bilder von wütenden und blockierenden Bauern helfen da nicht.

Warum sollten Volksbanken und Raiffeisenbanken Öffentlichkeitsarbeit für die Agrar- und Landwirtschaft betreiben? Es geht um mehr als Öffentlichkeitsarbeit. Es geht darum, dass wir uns der Bedeutung der Landwirtschaft für unsere Region, für unsere Kultur, für unsere Gesellschaft und nicht zuletzt für unseren Wohlstand bewusst machen. Ich spreche gerne von einer Schicksalsgemeinschaft, die zusammenstehen muss. Das funktioniert in unserer Region gut, ist aber kein Selbstläufer. Wir als wichtiger Finanzpartner der Agrarbetriebe müssen gemeinsam neue Wege ausloten, müssen den Betrieben durch unsere Vernetzung auch Türen öffnen. Deshalb dürfen wir den Blick nicht nur auf Kreditsummen und Kreditrisiken richten, sondern müssen im Dialog mit den Landwirtinnen und Landwirten und der gesamten Wertschöpfungskette die Branche und unsere Kunden weiterentwickeln. Dazu gehört auch, sich als Genossenschaftsbank zu einer regionalen Landwirtschaft mit Worten und in Taten zu bekennen.

Das klingt sehr altruistisch, dürfte aber nicht der einzige Beweggrund sein?
Als Genossenschaftsbanken sind wir der Region verpflichtet. Das ist tatsächlich eine Lebenseinstellung. Darüber hinaus stellen die Land- und Ernährungswirtschaft wichtige Kundensegmente dar, die beispielsweise im Kreditgeschäft ein Volumen von 15, 20 Prozent und teilweise noch mehr ausmachen, wenn man alle vor- und nachgelagerten Bereiche mitzählt. Die Landwirtschaft ist ein wesentlicher Faktor, warum sich aus dem einstigen Armenhaus Weser-Ems eine Boom-Region entwickeln konnte. Das sollten wir uns als Genossenschaftsbanken immer wieder bewusst machen. Daran hängt eine Menge Kaufkraft und Wohlstand, die weit über den Agrarbereich hinausreicht.

Momentan sind die Landwirtinnen und Landwirte wenig euphorisch gestimmt. Wie beurteilen Sie die Stimmungslage in der Branche?
Die Stimmungslage ist getrübt, die Bereitschaft zu investieren geht in der Breite betrachtet aktuell gegen Null. Dabei sind Betriebe wirtschaftlich leistungsfähig und könnten vielfach investieren. Sicherlich bereiten der Strukturwandel und Prognosen, wonach sich agrarwirtschaftliche Umsätze perspektivisch verringern werden, Kopfzerbrechen. Aber vor allem fehlende politische Vorgaben sorgen für eine große Unsicherheit. Bio, Klimaschutz, Tierwohl und einiges mehr – die Landwirtinnen und Landwirte wissen nicht, auf was sie sich einstellen sollen. Als Unternehmen investieren sie aber nicht, wenn sie nicht wissen, wohin die Reise geht. Deshalb ist es wichtig, dass es nach der Bundestagswahl schnell zu einem klaren Kurs und verbindlichen Vorgaben in der Landwirtschaftspolitik kommt. Dann wird auf den Höfen auch wieder investiert werden

Die Landwirte waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei wechselnden Regierungskonstellationen im Bund enttäuscht von der Landwirtschaftspolitik. Wo sollten Ihrer Meinung nach die Prämissen liegen?
Es sollte auf jeden Fall auf Basis von Daten und Fakten miteinander gesprochen und entschieden werden, nicht auf Basis von ideologischen Vorstellungen. Wir verfügen in Deutschland und insbesondere in Weser-Ems über eine sehr leistungsfähige, qualitätsorientierte und verantwortungsvolle Landwirtschaft. Diese gilt es zu stärken, um die Versorgungssicherheit und Lebensmittelqualität dauerhaft zu sichern. Bio-Produkte haben natürlich ihren Platz. Unsere hochwertige konventionelle Landwirtschaft wird aber weiterhin die Hauptlast der Versorgung tragen müssen. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Ladentheke. Der Verbraucher entscheidet. Und trotz vieler anderslautender Lippenbekenntnisse ist Bio weiterhin ein Nischenprodukt. Das muss auch die Politik parteiunabhängig erkennen. Mit immer neuen gesetzlichen Auflagen und Hürden für die konventionelle Landwirtschaft gefährden wir deren Existenz. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch Marktchancen für Exporte aus Ländern, deren Standards häufig deutlich geringer sind als hierzulande. Dies kostet Wertschöpfung in der Region und ist auch in puncto Lebensmittelsicherheit und -qualität kritisch. Das kann nicht unser Ziel sein.

Politik sollte parteiübergreifend auf den Rat von unabhängigen Experten setzen, wie sie die Borchert-Kommission für den Bereich Nutztierhaltung erarbeitet hat. Leider hat diese ihre Arbeit 2023 eingestellt. Ich habe aber die Hoffnung, dass die Borchert-Kommission wieder reaktiviert wird und die Politik derartige Empfehlungen auch vorurteilsfrei umsetzt. Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit im politischen Handeln.

Neben den politischen Rahmenbedingungen haben die landwirtschaftlichen Betriebe trotz guter betriebswirtschaftlicher Zahlen momentan aber Schwierigkeiten, an Fremdkapital zu kommen. Wo liegt das Problem?
Zum einen sind da regulatorische Auflagen, die es den Banken erschweren, Kredite im Bereich Agrar zu vergeben. Dazu zählt unter anderem auch der Bereich der Nachhaltigkeit mit dem ESG-Scoring. Agrarbetriebe werden in Bezug auf Nachhaltigkeit erstmal mit einem hohen Risiko belegt. Das beeinträchtigt grundsätzlich die Kreditfähigkeit der Branche. Die Regulatorik ist aber nur die eine Seite und lässt sich durchaus handhaben. Aber auch die Bankwirtschaft selbst tut sich manchmal schwer, das Thema Landwirtschaft in seiner Komplexität zu durchdringen. Wir selbst haben drei ausgebildete Agrarfinanzberater, beschäftigen einen Agraringenieur im Haus und bei uns arbeiten drei Söhne, die von einem Hof kommen. Zudem arbeiten wir eng mit der VR AgrarBeratung in Lingen zusammen. Landwirtschaft braucht Banken und Firmenkundenberater, die mit den Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhabern auf Augenhöhe kommunizieren können. Das gilt im Übrigen auch für die Marktfolge, die das Agrargeschäft ebenso verstehen muss.

Nur dann kann man als Bank das Geschäftsmodell und damit die Kreditfähigkeit von Agrarbetrieben wirklich einschätzen. So haben wir landwirtschaftliche Kunden, mit denen wir gemeinsam Lösungen und individuelle Geschäftsmodelle entwickeln. Dabei betrachten wir die gesamte Wertschöpfungskette und bringen auch die regionalen Mitspieler immer wieder zusammen. Das gelingt aber nur, wenn man die Branche als Firmenkundenberater kennt. Deshalb ist die Qualifizierung von Firmenkundenberaterinnen und -beratern wichtig. Das betrachten wir auch im Arbeitskreis Landwirtschaft als eine Kernaufgabe, gemeinsam mit dem Genossenschaftsverband Weser-Ems und in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer entsprechende Qualifizierungen zu entwickeln. Das hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert.

Zudem müssen wir gerade das Thema Nachhaltigkeit als Riesen-Chance für die Region begreifen. Wir haben die Flächen, unsere Region hat eine hohe Geburtenrate und damit potenziell vergleichsweise viele Fachkräfte, wir haben eine funktionierende soziale kommunale Infrastruktur, wir haben einen leistungsstarken und innovativen Mittelstand, die Menschen sind aufgeschlossen und motiviert – das sind beste Voraussetzungen für eine Energiewende, für den Ausbau regenerativer Energien und für Industrie- und Gewerbeansiedlungen. Dort, wo Energie produziert wird, dort siedelt sich am Ende auch Industrie an. Dabei spielt die Land- und Ernährungswirtschaft natürlich wieder in vielfältiger Form eine wichtige Rolle. Die Zukunft bietet viele Chancen. Wir müssen sie gemeinsam erschließen.   

Herr Herbers, vielen Dank für das Gespräch.